Schlaraffia

Im Jahre 1859 gründeten Künstler des damaligen Deutschen Theaters in Prag einen Herrenbund, die „Schlaraffia“. Schon bald bildete sich ein Rahmen für ihre Zusammenkünfte heraus, nämlich der des romantischen Ritterspiels. In der Folge wurden dessen Regeln im „Spiegel“ (Statut) und im „Ceremoniale“ festgeschrieben. Bis heute bestimmt der Geist des Ritterspiels das Tun und Treiben in Schlaraffia.

Die rasche Verbreitung der schlaraffischen Idee führte zur weltweiten Gründung von hunderten sogenannten „Reychen“ (lokalen Vereinen). Da die Sprache der Schlaraffen stiftungsgemäß Deutsch ist, liegt die Mehrzahl der Reyche in den deutschsprachigen Ländern. Aber auch dort, wohin Deutschsprachige ausgewandert sind (Nordamerika, Südamerika, Südafrika, Australien und im Fernen Osten), sind Schlaraffenreyche entstanden ebenso wie in Belgien, Frankreich und vor allem Spanien. Auf der anderen Seite sind viele Reyche im europäischen Osten und Südosten mit dem Ende des 2. Weltkriegs erloschen.

Die „Schlaraffia“ hat heute rund 11.000 Mitglieder in über 260 Vereinen auf allen Kontinenten, davon etwa 22% allein in Österreich. Die Schlaraffen, in den Gründungsjahren Theaterleute, Musiker und Literaten, kommen heute aus den verschiedensten Berufen. Alle sind unter dem Schirm des Dachverbandes Allschlaraffia vereinigt, und der UHU, Symbol der Weisheit, wacht über den Geist Schlaraffias.

Die Grundsätze des Schlaraffentums sind im Spiegel §1 wie folgt festgelegt: „Schlaraffia ist eine Gemeinschaft von Männern, die in gleichgesinntem Streben die Pflege der Kunst und des Humors unter gewissenhafter Beachtung eines gebotenen Ceremoniales bezweckt und deren Hauptgrundsatz die Erhaltung der Freundschaft ist.“ Schlaraffia ist also kein Märchenland mit Müßiggang und Schlemmerleben, sondern ein Hort, wohin gebildete Männer der „Profanei“, dem „grau(s)en Alltag“ entfliehen dürfen. In „Sippungen“ genannten wöchentlichen Zusammenkünften bringen sie ihre Fähigkeiten in Form geistiger oder musikalischer Vorträge sowie humorvoller Reden und Gegenreden ein. Oder sie besuchen einfach die Sippungen, um sich zu entspannen und anderen zuzuhören. Im Rahmen des ritterlichen Ceremoniales kultivieren die Schlaraffen Erbauung, Humor und Persiflage. Hier vermag sich ein am Musischen und Rhetorischen orientierter „Homo ludens“ zu entfalten, ein Spieler, der vor allem nach dem geistigen Gewinn und der Unterhaltung aller strebt. So gesehen ist Schlaraffia eine der letzten Welten der Romantik. Hohen Stellenwert haben in ihr auch dahingeschiedene Heroen der Kunst, deren Wirken in Gedenksippungen lebendig wird.

Damit ist Schlaraffia wohl die fröhlichste und feinsinnigste unter den bekannten Herrengesellschaften! In den Sippungen tragen die Schlaraffen „Helme“ aus Stoff, reden einander in der 2. Person Plural, also mit „Ihr“ und mit ihren Ritternamen an und gebrauchen viele Ausdrücke, die sich so anhören, als stammten sie aus fernen höfischen und ritterlichen Zeiten. Neben diesen Eigenheiten ist eine wichtige Gepflogenheit der Schlaraffen der Besuch anderer Reyche, „Einritt“ genannt, der dort herzlich zelebriert wird. Jeder Schlaraffe ist in allen Reychen des „Uhuversums“, also in aller Welt, willkommen.

Und wie sieht die Damenwelt Schlaraffia? Man darf sagen, ausgesprochen positiv. Schlaraffia ist zwar ein Männerbund, aber die Damen kommen hier keineswegs zu kurz. Denn neben den Sippungen, die nur von Oktober bis April stattfinden, finden vor allem im Sommer viele „Krystallinen“ statt. Das sind Geselligkeiten und Ausflüge aller Art, bei denen die „Burgfrauen, Burgmaiden und Burgknäpplein“, also der familiäre Anhang der Ritter, mehr als willkommen sind. Hier sind schon – weit über das schlaraffische Treiben hinaus – viele lebenslange Freundschaften unter den Damen und zwischen den Familien entstanden. Im Übrigen schätzen es nicht wenige Burgfrauen, ihren „Ritter“ mindestens einmal in der Woche in gediegener (und ihnen bekannter) Männergesellschaft zu wissen. Das sind dann gewöhnlich Abende, an denen der Ritter gut gelaunt nach Hause kommt.